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Symbolik §37

§37 Die Kirche als Sakraments- und Opferanstalt. Die Seligkeit in der Kirche

Die eine Bedingung zur Seligkeit ist die Unterordnung unter die Hierarchie, die andere der Gebrauch der Sakramente.

Es entsprechen sich zunächst Priestertum und Opfer (Trid. Sess. 23). In der Darbringung des NTl. Opfers erwesen sich die Priester als solche und als Nachfolger des Apostels (touto poieite und griechischer Sprachgebrauch = opfert).

Aber die Opferidee ist jünger in der Kirche als die Gaben des Christentums. Denn diese sind mit der Sacramentsidee zusammen ausgearbeitet. Das Opfer spielt in der Rhetorik eine grosse Rolle, aber die dingliche Mitteilung der Güter geschieht im Sakrament. Dieser Begriff tritt plötzlich ein und wird vom Tridentinum z.B. gar nicht genau bestimmt. Es handelte de sacramentis in genere nicht, weil die Thomisten und Skotisten hier sehr differierten und weil dabei die alte Duplicität nicht übernommen werden konnte, dass 1) übernatürliches Leben eingeflösst wird, 2) fides und caritas durch promissiones Dei (so Augustin). Der heutige Katholicismus lässt auch noch beides gelten, er steht hier in der Mitte zwischen der griechischen und der evangelischen Kirche. Aus den Canones erkennt man ungefähr die Richtung: Thomas sagt, das Sacrament wirke ex opere operato, aber zur heilskräftigen Aneignung gehöre Glaube. Skotus lehrt, man dürfe nur keinen obicem ponere, keine Todsünde haben. - ex opere operato. Seit Albertus Magnus opp. ex opere operantis, d.h. Heilswirkung tritt nur ein, wenn das Subjekt in bestimmter Verfassung [109] ist. Die Thomisten lehrten, dass die Sakramente ganz ex opere operato seien, d.h. nur göttlicherseits bewirkt, während im Alten Bunde menschliche Verfassung dazugehörte. Thomas aber sagt, die Sakramente wirken allerdings das Heil, als Bedingung tritt Reue und Glaube hinzu. Scotus machte Ernst mit jener Vorstellung und liess nur negative Bedingung gelten. Das Tridentinum stellt sich auf diese Seite und zerschneidet so den Zusammenhang zwischen Sakrament und Glauben. Die Jesuiten haben nun den obex sehr beschränkt. Selbst Gottesläugnung verbunden mit Scheu vor dem Dasein Gottes wurde von den Jesuiten nicht als obex gefasst. Augenblicklich herrscht noch eine strengere Praxis.

Noch in einem Punct ist die Lehre brüchig. Es gehört zum Sakrament, dass der verwaltende Priester die Intentio hat, das zu thun was die Kirche thut, also nicht {iocose}. Bellarmin aber fügt schon bei, dass eine kleine Gedankenabschweifung nicht das Sacrament invalidum macht. Nach katholischer Lehre ist der Priester minister sacramenti, Gott ist au[c]tor, aber doch soll der Priester auch {?} Sakrament bedeutungsvoll gemacht werden.

Moehler fügt irrig zu ex opere operato scl. Christi zu, das liegt nicht im Ausdruck.

Dann ist die Kirche Opferanstalt. Das Opfer ist die eigentlichste Function, es wird hoch rhetorisch beschrieben, es steht über dem Sakrament, das aus dem Opfertod Christi fliesst, während das Messopfer Wiederholung desselben ist.

In der Idee des Messopfers kommt die Anmassung der Kirche, verkörperter Christus zu sein, zu vollstem Ausdruck. Der Priester ist hier au[c]tor, er macht es, dass Christus auf dem Altar erscheint, so hat die Kirche Gewalt über Christus oder sie ist mit ihm identisch. [111] Dass Opfer und Abendmahl von Christus in einem Act eingesetzt sind, gilt nach römischem Dogma für zufällig. Zum Opfer ist die Transsubstantiation notwendig, denn das Opfer der Kirche darf nicht überboten werden können, aber für das Sakrament ist diese nicht nötig. Nur als vorhandene Gaben werden sie gespendet. Hier geht das strenge Luthertum über die römische Kirche hinaus, die für die Sakramente die Realpraesenz nicht fordert, aber zweckmässig findet. Das Opfer ist nachbildende Darstellung, Wiederholung des Kreuzestodes, vere propitiatorium. Aber da das einmalige blutige Opfer durch das medium der Sakramente wirkt, während das Messopfer ex opere operantis wirkt, so ist die Wirkung doch nicht gleichartig. Vom Opfer auf Golgatha wird Superabundans gelehrt, von der Wiederholung aber nur Effect für den Priester und die Mitopfernden. Es ist ein sacrificium impetratorium, Gebetsopfer, ohne wirkliche Versöhnung, die die Beichte überflüssig machen würde. Nur wer durch die Generalabsolution von der Schuld frei ist, wird durch das Messopfer wie die Gebete von den Folgen der Sünde befreit. So kommt die Messe in eine Skala mit Almosen, Fasten, Pilgern, Heiligenanrufen. Deshalb wird die Messe angewendet für Dinge, die mit der Seligkeit nur mittelbar zusammenhängen, ein bene esse im Leben und mox esse in coela für den bereits Gläubigen, für die Gotteskinder. Das Messopfer ist allmählich ein Sakrament der unerlaubten {Riten} geworden. Zu Gunsten dieser Idee kann man nur die Lebendigkeit der Opferidee im Katholicismus anführen. Es war nötig, im 16. Jahrhundert sie aufzugeben, aber sie könnte wohl zur Lebendigmachung des evangelischen Glaubens dienen, doch ist die Gefahr gross, dass wir wieder in den römischen Fehler fielen.

Nur wer sich der Hierarchie und den Sakramenten unterwirft, kann selig werden, dass er es wird, ist ihm nicht garantiert. Das Tridentinum ver-[112][sichert] ausdrücklich alle die glauben auf Erden schon ihrer Seligkeit gewiss zu sein. Der ganze katholische Apparat ist nur Vorbedingung, conditio sine qua non. Auch wir können dem einzelnen speciell nicht die Seligkeit garantieren, aber wir weisen auf die Gotteskindschaft, die das Vertrauen auf Gottes Liebe und Gnade auch nach dem Tode in sich schliesst. Hier setzt Luther ein.

In anderer Weise hat sich der Papst ein Urteil über Seligkeit vindiciert, indem er Menschen nicht nur selig, sondern heilig spricht und ihnen so einen ganz besonderen Platz im Himmel anweist und sagt, dass seine Verdienste sogar anderen zu gute kommen können. Vielleicht kommt es hier noch zu einer Entwicklung. Aber freilich der Apparat darf nicht beeinträchtigt werden. Die erste Canonisation vollzog Johannes XV. 993. Bis dahin waren die Heiligen wild gewachsen. In der Regel geht die Beatification voraus, erst nach einem bedeutenden Zeitraum folgt die Canonisation. Durch jene ist die Anrufung einer Gruppe von Gläubigen erlaubt, durch diese die ganze Kirche. Es dauert meist sehr lange, einmal weil es viel Geld kosten soll, dann weil man es mit dem Process genau nimmt. Es wird ein advocatus diaboli bestellt, dann müssen eine Anzahl Wunder nachgewiesen werden.

Hier ist die Anmassung der Kirche am evidentesten, in majorem gloriam sui ipsius, ohne Zusammenhang mit der Seligkeit. Denn Verdienste kann etwa einer haben ohne heilig zu sein.

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