Symbolik §12
§12. Quellen und Normen
»Die Erkenntnis der christlichen Religion ist aus der Schrift und der Tradition zu schöpfen; beide stehen sich dem Werte nach gleich, weil sie aus demselben heiligen Geiste stammen, aber es bleibt in der griechischen Kirche offen, ob der heilige Geist in der Tradition etwas gesagt hat, was nicht mindestens implizite auch in der Schrift steht«.
Bewiesen ist ein Satz, sobald er als authentische Tradition erwiesen ist. Von der römischen Traditionsentwicklung aber hat die griechische Kirche nichts durchgemacht, daher [ist] kein Dogma darüber vorhanden. Die Schrift kann allein fons primaria, ja fons unica sein unter der Voraussetzung, dass die Conzilien dasselbe gesagt haben als die Schrift. Manche griechische Dogmen freilich nehmen eine paradosis mit eigentümlichem Inhalt neben der Schrift an.
Im allgemeinen gilt, dass die Schrift nach dem Zeugnis des classischen Altertums der Kirche auszulegen ist. Das erinnert an die römische Aufstellung, doch hier gilt die lebendige Kirche als das Forum der Schrifterklärung: es ist der Papst, der allein dazu Recht hat. In der griechischen Kirche ist es das Altertum überhaupt. Das ist ein schwankender Begriff, es ist keine bestimmte Persönlichkeit.
Die Privatlektüre der Bibel, die in der römischen Kirche verboten ist, oder doch wenigstens schwer klausuliert und beschränkt ist, wird bald empfohlen, bald verboten. [44] Gregor VI von Constantinopel erliess ein Verbot, andere gaben die Schrift wieder frei.
Der Umfang der Schrift ist seit dem 15. Jahrhundert die Apokryphen einschliessend, ein Bekenntnis hat es festgesetzt. Doch es wäre keine Häresie, sie zu verwerfen. Die Apokalypse, durch den Montanismus in Miskredit gekommen, war im 4. Jahrhundert meist nicht im Kanon, jetzt ist sie allgemein recipiert.
Auch die Frage nach dem Abschluss der Tradition ist nicht entschieden, meist nimmt man 7 Conzilien an. Doch der Patriarch von Constantinopel möchte wieder ein grosses Conzil berufen, was wohl kaum zustande kommen wird.