Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Weiteres

Login für Redakteure

Symbolik §24

§24. Äusseres und inneres Wesen des Katholicismus

Was ist der Zweck der christlichen Religion in dieser Form? Weltbeherrschung, Durchdringung der Welt von den christlichen Gedanken, vom Evangelium. Die Meinung des Stifters war, dass die Weltbeherrschung durch einen sichtbaren Organismus stattfinden sollte. Die Kirche ist gottgewollte Form des Christentums. Nur in der Form des Rechtsorganismus, des Staates löst die Kirche ihre Aufgabe, Sauerteig der Welt zu sein. - Der Fortschritt über die griechische Kirche liegt darin, dass die Aufgabe formell richtig gestellt ist. Der Christ hat an der Welt zu arbeiten im Dienst des Reiches Gottes, welches der Grundgedanke des römischen Katholicismus ist. Die Stiftung des Christentums stellt sich dar in einer realen Gemeinschaft der civitas Dei und durch diese werden einzelne fromme Leben gezeugt. Nur soweit man an ihr teil hat, hat man teil an Christus. Das Heil ist ein gegenwärtiges, es stellt an jeden die Aufgabe, Mitarbeiter zu werden an dem Organismus des Guten in der Welt. Daneben stehen noch Reste der griechischen Vorstellung.

Ergänzt wird der Gedanke durch den andern, dass die empirische Kirche dies Reich Gottes ist, »so sichtbar als das Königreich Frankreich und die Republik Venedig« (Bellarmin) (beide aber sind untergegangen!) Von hier aus werden alle geistigen Eigenschaften materialisiert und in das Gebiet der Ordnung, des Schauens hinübergenommen. Aber auch in dieser Form sollen sie als heilsnotwendig, weil geoffenbart betrachtet werden. Die Katholicität besteht in der empirischen Verbreitung; die Heiligkeit ist eine dingliche. Die Kirche gerät in Conflict mit allen berechtigten Bestrebungen der Welt, sofern sie sich nicht unterordnen. [66] Man soll alles Handeln unterordnen dem Reich Gottes, wie es sich in der Kirche repräsentiert. Sobald ein Staat Selbständigkeit erreicht, kann er nicht vollen Frieden wahren, entweder muss er sich unterordnen, oder kämpfen oder die principielle Entscheidung meidend, von Fall zu Fall sich einen status vivendi zu schaffen suchen. Beide Schwerter, das geistliche und das weltliche sind in der Hand der Kirche. Es ist noch nie der Beweis geliefert, dass neben der Kirche ein selbständiges Staatstum sich halten kann.

Die Geschichte der katholischen Kirche ist ein fortgesetzter Kampf mit den Staaten. Mit allen steht sie im Kampf, wenn auch latent. Alle Staaten müssen der Consequenz nach sich zu einer Familie vereinigen unter der Führung des Patriarchen-Papstes zu Rom. Das ist ein Ideal; aber ebenso ideal ist die volle Verantwortlichkeit eines jeden Individuums und jeder Familie, jedes Staates; welche aber auch volle Freiheit verlangt.

Die Geschichte der katholischen Kirche ist zugleich ein Kampf gegen das Gewissen, aber das Handeln gegen das Gewissen ist das unsittlichste. Das Mittelalter hatte gewissermassen kein Gewissen; da war die Theokratie gut und berechtigt. Aber seit sich das individuelle Gewissen regt, ist die Theokratie unsittlich. Da aber die Theokratie eines Menschen immer Massstäbe octroyiert, so ist sie auf alle Fälle unsittlich.

Dass deshalb ihre Tage gezählt wären, kann man nicht behaupten. Wir wissen nicht, ob die Geschichte der Menschheit im Fortschritt sich vollzieht, aber es wird immer solche geben, die sich lieber von ihr leiten lassen, als Selbstverantwortung üben. Doch wir müssen hoffen, dass die Kirche zu Ende geht, doch so dass ihre Wahrheit bestehen bleibt.

[67] Der einzelne wird selig durch eine innere Umwandlung des Herzens, welche die Kräfte des Evangeliums schaffen. Doch diese Umwandlung geschieht so, dass auf Grund des Todes Christi Gott geneigt ist, dem Menschen zu vergeben und er schafft die Wiedergeburt des Menschen. Dann aber wird nicht das Verhältnis, sondern das Verhalten des Menschen berücksichtigt. Die Religion verläuft in einem Schema von sakramentalen Kräften vom Verdienst Christi her und von Leistungen, die den Menschen möglich sind auf Grund der Gnadenkräfte, und Verdienste begründen. Beides, Sakramente und Verdienst, ruhend auf dem Gedanken einer inneren Neuschöpfung, bilden die Form der Religion, {?}: der Wiedergeborene Mensch wird selig auf Grund der freien Verdienste die ihm die Gnadenmitteilung Gottes ermöglicht.

Die römische Kirche weiss, dass das Heilsgut und das Gute zusammenfallen. Gott schafft das Gute im Menschen, aber dann denkt sie sofort an die habituelle Güte des Menschen und wie er den Zustand der Gottgefälligkeit erlangt. Dies ist aber keine religiöse, sondern eine sittliche Frage. Die römische Religion ist letztlich mit Moral vertauscht. Wie wird der Mensch ein besserer?

Die Frage der Religion ist wie kommt der Mensch zu Gott und wie bleibt er bei ihm. Die Römische Kirche springt aber gleich über zu dem Verhalten.

Alle solche Betrachtungen haben ihren Grund im Gottesbegriff. Die griechische Kirche fasst Gott als hou kósmos, die römische Kirche als mächtigen grossen Privatmann, der bald beleidigt ist, bald durch Satisfaktion beruhigt wird. Wir können Gott nur als Person denken in Analogien. [68] Die Römer bringen zur Philosophie den rechtlichen Begriff hinzu.

Die Hauptfrage ist: Wie erlangt der Menschliche Wille eine solche Kräftigung, dass er fähig ist, gute Werke zu thun.

Die Persönlichkeit Gottes ist Centralgedanke, nicht vermittelt mit dem Substanzbegriff. Die empiristische Fassung des Kirchenbegriffs mit jenem auf die alte Vorstellung aufgetragenen Gottesbegriff ist die Wurzel.

Zum Seitenanfang