Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Weiteres

Login für Redakteure

Symbolik §19

§19. Die Mysterien

»Die Mysterien teilen mit der Thatsache der Offenbarung selbst den Namen, das ist nicht zufällig; denn in ihnen stellt sich die eigentliche Hinterlassenschaft des gottmenschlichen Lebens Christi dar. Die Mysterien setzen voraus den Glauben und den thätigen willen; können nur von dem berufsmässigen Priestertum verwaltet werden und bilden das unentbehrliche Lebenselement der Kirche; ihrem Begriffe nach sind sie telatai, die von dem Mensch gewordenen logos vorgeschrieben sind, in denen sich unter sichtbaren Zeichen übernatürliche Güter [52] vermitteln: die in Jesus Christus verwirklichte Einheit von göttlichem und natürlichem setzt sich in ihnen wirkungskräftig fort. organa drastika charitois myomenois ex anankes. 3 Stücke sind erforderlich zur richtigen Ausübung

  1. das entsprechende sinnliche Material,
  2. der Priester,
  3. die epiklesis, die Anrufung des heiligen Geistes (und die richtige Formel).

Der Zweck ist ein dreifacher, sofern sie sind

  1. Erkennungszeichen der wahren orthodoxen Kirche und ihrer Söhne;
  2. sicheres Pfand der Zuversicht auf Gott, sofern sie unter der Bedingung des Glaubens das ewige Leben sicher machen;
  3. heilkräftige Mittel gegen die Sünde.«

Nach griechischer Auffassung sind die Sakramente Fortsetzung und Application der Menschwerdung. Nur das Abendmahl war bisher für sich behandelt, sonst wurden die Sakramante in toto behandelt bis ins 15. Jahrhundert, fertig ist die Entwicklung erst seit dem 17. Jahrhundert. Dann fehlt der griechischen Kirche jene Ausmünzung des Sakramentwertes. Die griechische Kirche denkt würdiger, erhabener darüber. aber es fehlt ihr der erzieherische praktische Charakter der Sakramente, der in der römischen Kirche so stark ausgebildet ist. Abendmahl und Confirmation werden in der römischen Kirche erst den zu Verstand gekommenen Kindern gereicht. Die griechische Kirche verlegt Taufe, Firmelung und Abendmahl in einen Moment. Es wird etwas geheimnisvoll appliciert ohne eigne Mitthätigkeit.

Die 7 Sakramente sind Taufe, myeron = Confirmation, eucharistia, Priesterweihe, Busse, Ehe und Ölung (euchelaion). [53]

Die Taufe besteht in dreimaligem Untertauchen. Meist wird jedoch die Besprengungstaufe anerkannt. Liturgisch gilt: ungefälschtes Wasser. Weihe des Wassers. Ölsalbung. Exorcismus (in früherer Zeit bei Taufen erwachsener Heiden sinnreich,; bei der Kindertaufe Antiquität).

Wirkung der Taufe nicht nur Verzeihung der Schuld, sondern Sündentilgung. Neuschaffung der inneren Natur. Das Freiheitsgefühl kann sich hier nicht halten, es ist ein wunderbarer Eingriff, ein Process.

Das myeron, Salbung mit Öl nach der Taufe, von jedem Priester zu vollziehen. Das Öl vom Bischof zu weihen (Im Abendland kann die ganze Firmelung nur vom Bischof vollzogen werden).

Die Wirkung soll die Ausstattung mit dem heiligen Geist fürs Leben sein (bei den Lateinern militia Christi).

Das Öl besteht aus Öl und wohlriechenden Stoffen (auf richtige Zusammensetzung wird Wert gelegt).

Das Sakrament der griechischen Kirche kat' exochen ist die eucharistia mit dem sie sich eingehend beschäftigt hat. Schon Cyrill von Alexandrien erkennt gegen Nestorius darin die Fortwirkung der Menschwerdung des logos und ihre Application auf den Menschen pharmakon athanasias. Daran nährt sich fortwährend die Mystik.

Das Abendmahl wird den Laien in beiderlei Gestalt gegeben, der Wein gemischt, gesäuertes Brod (wie natürliche Speise) Brod und Wein werden in einem Löffel zusammen gegeben. Die Kinderkommunion ist beibehalten (im Abendland seit dem 11. Jahrhundert abgekommen).

Der heilige Geist wird angerufen bei der Handlung und das ist der Moment, wo das Mysterium perfekt wird. So sind alle Sakramente in Affinität zum heiligen Geist gesetzt.

[54] Was die Transsubstantiationslehre anlangt, so hat sich seit dem 4.-5. Jahrhundert auch in der griechischen Kirche eine Art derselben eingebürgert. metousiosis (Steitz, Jahrb. f. d. Th. IX-XIII Bd.). Aber man hat sie nicht so durchdacht und nicht so realistisch durchdenken wollen. Es bleibt ein spiritualistischer Zug darin. Symbol und Wirklichkeit sind nicht geschieden, die Realität des Wunders nicht so betont als in der römischen Kirche. Bei dieser kommt der Himmel gewissermassen herab, bei der griechischen wird die Seele emporgezogen.

Ursprünglich stand das Abendmahl unter dem Gesichtspunkt eines Opfers, besonders der Erinnerung an das Opfer auf Golgatha, das eine Sühne war und ist. aber diese Vorstellung ist ohne Zusammenhang mit der 2 Naturenlehre, da die Gottheit Christi, eigentlich apathes, leiden kann, nur sofern sie an der Menschheit Teil nimmt.

Bei der Priesterweihe sind die niederen Weihen nicht so ausgebildet als in der römischen Kirche, aber die wenigen, welche sie hat, Subdiakonat und Lektorat, hat die griechische Kirche treuer und fester erhalten.

Das Busssakrament (metanoia) ist von dem römischen nicht weit entfernt. Es ist Zerknirschung (syntribe) verbunden mit dem Entschluss der Besserung und Leistung guter Werke (agathopoiesis). Darauf erfolgt lysis durch den Priester nach dem Bekenntnis. Der Priester leg die guten Werke auf (epitimia). Mindestens einmal im Jahr soll gebüsst werden.

Das Ablasswesen ist fast gar nicht ausgebildet. Eine Art von Fegefeuerlehre kennt die griechische Kirche erst seit dem florentinischen Konzil, doch auch hier ist es nur Veränderlichkeit, nicht spontane Entwicklung, nur ein actus medicinalis.

Die Vorstellung von der Seligkeit ist die absolut passive Beschauung (Contemplation), zu der Leib und Seele auferstehen. Dazu stimmt nun nicht, dass die Unseligkeit nicht gnostisch als agnoia, sondern biblisch als Qual bestimmt wird. [55]

Die Ehe muss vom Priester geschlossen werden; sie ist unauflöslich ausser im Falle des Ehebruchs. Den Clerikern ist nur eine Ehe gestattet. Den Laien wird eine 2. und 3. aus Not, aber mit Misstrauen gestattet, eine 4. gilt als euprepes moicheia. Die Bestimmungen über Ehehindernisse sind mannigfach und {rigorös}.

Die letzte Ölung (euchelaion) kann als Gebetsölung in jedem Krankheitsfall, nicht nur im casus mortis nach der Busse auf Grund von Jak 5,14 gespendet und wiederholt werden.

Zusatz I. Die Heiligen: dass sie fürbetend helfen, leitet die Kirche ab aus der Thatsache, dass sie unser Geschick kennen und dass sie als Mitglieder der himmlischen Hierarchie dem großen Chore angehören, der mithilft, das himmlische an das irdische zu verleihen. Daher gebührt ihnen time und epiklesis, nicht latreia, Anbetung, die Gott allein zukommt. Man denkt mehr an Fürbitte als an Satisfaktion. Eine eigentliche Theorie ist nicht ausgebildet, während im Abendland die Heiligen in den Zusammenhang von Sünde und Gnade eingereiht sind. Es ist ein heidnischer Überrest von hoher praktischer Bedeutung. Jeder Heilige hat sein besonderes Gebiet. Vor Constantin dem Großen finden sich nur wenige Spuren, 30 Jahre später aber ist der Heiligenkult allgemein verbreitet, doch es fehlt in der {?} Kirche der hierarchische Zug.

Reliquiendienst seit dem 4. Jahrhundert. Sie gehören zur Kirchenausstattung. Besonders auf dem Athos ist [recte: sind] die Legenden und die Reliquienverbreitung blühend.

Zusatz II. Bilder und Bilderphilosophie. 325 und 787 fanden die 1. und 7. Synode (beide zu Nicäa) statt. Dazwischen liegt die Entwicklung des griechischen Dogmas. Im Bilderdienst ist ein antiker Zug, aber durch eine Bilderphilosophie (Theologie) ist der polytheistischen Auffassung gewehrt, es ist ein geistlicher Inhalt den Bildern gegeben. Die eidola sind ausgeschlossen, nur Bilder sind erlaubt. Diese dürfen angebetet werden, weil sie ein Stück Himmlisches, Göttliches an sich tragen. Der Mensch trägt einen Prototyp in sich. Christus und die Heiligen haben ein geistiges Abbild ihres Wesens an sich gehabt, was sich in irdischen Stoffen nachbilden lässt. Die ältesten Bilder gelten als acheiropoieta, auf göttliche Veranstaltung hergestellt.


Literatur

Georg Eduard Steitz (1810-1879), Die Abendmahlslehre der griechischen Kirche, in: JDTh 1864-1868

Zum Seitenanfang