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Symbolik §1

§1. Begriff und Aufgabe der Disciplin

Die allgemeine Anerkennung der christlichen Religion wird sehr beeinträchtigt durch die Spaltung in Confessionen. Christus will eine Herde haben. Paulus tadelt die Corinther wegen der Spaltungen. Zu den tragischen Folgen der Spaltung gehört, dass der Jammer dieser Spaltung nicht mehr empfunden wird. Die Vertröstung auf das Ende genügt nicht, denn die Gemeinschaft ist schon für diese Erde in Aussicht genommen. Das Zerfallensein der Kirche in verschiedene Formen gehört zu der Welt, d.h. den durch die Arbeit in der Welt aufgedrungenen Umständen.

Zu der Spaltung hat nicht nur verschiedenes Verständnis des Evangeliums geführt, sondern die Aufpflanzung allerlei äusserer Massstäbe unter dem Schutz des Evangeliums. Auch die griechische und römische Kirche sind etwas verschieden in Auffassung des Evangeliums, aber doch unieren sich beide, sobald das Papat anerkannt wird. Die Spaltung geht also auf die Betonung des Papats zurück. In der Reformationszeit hätte die Curie fast die Confessio Augustana anerkannt gegen das Zugeständnis der Göttlichkeit des Papats. Noch heute würden die evangelischen Lehren geduldet werden, wenn man den Papst anerkennen wollte.

Durch die Confessio Augustana sind wir Evangelischen angewiesen, uns nicht zu trennen wegen Formen, sobald Einheit des Bekenntnisses vorhanden ist.

Weshalb haben wir Interesse, die Confessionen kennen zu lernen? Zunächst müssen wir die eigne Kirche kennen lernen. Das ist nicht so einfach, wie es scheint. Zwischen dem 16. Jahrhundert und uns steht eine complicierte Entwicklung. Im 19. Jahrhundert wurden alle Formen des Protestantismus repristiniert. Zur Bestimmung des Begriffs Protestantismus gehört, damit sie nicht {snlg.} sei, Studium des Ursprungs. Um diesen zu verstehen, muss man den Katholizismus kennen, denn wir sind reformiert, man muss wissen was reformiert worden ist. Im 16. Jahrhundert hat leider der Protestantismus nicht gesiegt, wie etwa Augustin zu seiner Zeit. Das Alte [2] ist geblieben und wieder mächtig auf dem Plan. In der Controverslitteratur findet sich bei uns grosse Unkenntnis des Gegners. Falsch ist auch die Polemik, die die eignen guten Seiten mit den schlechten des Gegners vergleicht. Wir müssen mit Gerechtigkeit und Wahrheit kämpfen.

Dazu gehört Wissenschaft von den Confessionen, vergleichende Confessionswissenschaft - Symbolik.

Ist das auch wirklich vorhanden in der so bezeichneten Literatur. Symbolik heisst Wissenschaft von den Bekenntnisschriften oder ungenauer von den Bekenntnissen. Das ist nur ein Ausschnitt von der Wissenschaft von Confessionen. Man stellt nur den Lehrinhalt der Bekenntnisse dar. Die Aufgabe ist gut und nötig, aber nur partikular. Das Christentum prägt sich in den Kirchen in sehr verschiedener Weise aus, jedenfalls nicht nur in den Bekenntnissen. Es kann Kirchen geben ohne Bekenntnisse. Die römische Kirche kann durch den Papst täglich ein neues Bekenntnis produzieren. Andere Kirchen haben ihre Bekenntnisse zurückgenommen. Die lutherische Kirche hat am meisten sich im Bekenntnis ausgeprägt.

Zuerst hat diesen Gedanken Kattenbusch in Studien zur Symbolik (St. u. Kr. 1878) ausgesprochen; er beginnt eine vergleichende Confessionswissenschaft.

Eigentümlich kommt das Leben der Kirche besonders im Gebet zum Ausdruck. Wenn man von den Streitbekenntnissen absieht bekommt man ein freieres Herz für das Gemeinsame. Alle Gebete sind am Vater Unser orientiert. Die offiziellen Auslegungen desselben haben sehr viel Gemeinsames.

Die Kirchen sind nicht als theologische Schulen, sondern als Lebensgemeinschaften darzustellen, wie es die alte Symbolik thut. Die Kirche ist lebendig thätig. Dabei bleibt für die Evangelischen Christen der Glaube die Hauptsache, in dem [3] sich die Auffassung des Evangeliums ausspricht.

Die Kirche kann nach ihrem idealen Typus oder nach ihrer empirischen Gestalt dargestellt werden. Für dies spricht, dass dann der gegenwärtige Zustand klar beschrieben ist, also gewissermassen der Abschluss zur Kirchengeschichte gegeben ist. Doch z.B. das jetzige Bild der abessynischen Kirche ist so schrecklich, dass man sie kaum noch für reformationsfähig halten kann. Der gegenwärtige Zustand muss geschichtlich aus der classischen Zeit heraus beleuchtet werden. Die Symbolik muss demnach sowohl das Ideal aufsuchen und dies am Evangelium abschätzen und von dort soll sie die Entwicklung bis zum heutigen Zustand begreifen. So ist die Symbolik zugleich Polemik und Irenik. Wir müssen das Ganze vergleichen, nicht einzelne Sätze, um zu erkennen, dass wir mit Recht uns von den andern Kirchen als den niedriger stehenden fernhalten. Das ist die beste Polemik. Zugleich ist durch die Beleuchtung des Ideals eine Irenik gegeben, so dass Polemik und Irenik als Spezialwissenschaften überflüssig werden. Praktisch haben beide freilich ihr Recht.

Der Name Symbolik wird beibehalten.


Literatur

Ferdinand Kattenbusch, Kritische Studien zur Symbolik, in: Theologische Studien und Kritiken 51 (1878) 94-121. 179-253

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