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Symbolik §25

§25 Überblick über die Entstehung der römisch-katholishen Confessionskirche und ihre Entwicklung bis zum Vatikanum

Die genauere Darlegung gehört teils in die Kirchengeschichte, teils in die Dogmengeschichte. Die Frage: seit wann kann man die römisch-katholische Kirche von der altkatholischen Kirche absondern als Confessionskirche ist sehr selten, natürlich nie von Rom aus, gestellt und wenig behandelt.

Natürlich lässt sich kein bestimmter Moment angeben. Ein Vater ist gewissermassen Augustin für die heutige Jesuitenkirche. Augustin natürlich ist nicht der erste, schon vor ihm sind charakteristische abendländische Äusserungen vorhanden. Es sind Kämpfe da, die diesen Unterschied aufweisen. Symptome weisen auf die monarchische Entwicklung dieses Episcopats.

1) Tertullian weist im Christentum das rechtliche Denken auf, z. B. im Verhältnis des Menschen mit Gott, er ist nicht speculativ aber rationalistisch, dialektisch und autoritativ. Das ist ganz das Bild der späteren Scholastik.

[69] Sein Schüler Cyprian hat den Kirchengedanken schon so ausgebildet wie die griechische Kirche nie annähernd, nur die monarchische Verfassung fehlt ihm noch, aber die Verfassung ist ihm ganz wesentlich. Schismatiker erkennt er gar nicht anders als Haeretiker an. Entscheidend ist die Trennung von der Verfassung der Kirche.

Die Popularphilosophen haben schon die casuistische Moral.

2) Der Montanistische Kampf vom Orient ausgehend kam erst im Abendland zum Austrag und zur Entscheidung. Der Novatianismus in den Orient verpflanzt kann dort keine Krise herbeiführen.

3) Die Bedeutung des römischen Bischofs beruht 1) auf der Stellung Roms als Welthauptstadt, 2) auf der Zusammensetzung der römischen Gemeinde aus allen Nationen, worauf gestützt die römische Gemeinde von Anfang an ermahnend und helfend den kleineren Gemeinden beigestanden hat in Erkenntnis ihrer Aufgabe; 3) auf dem Martyrium des Petrus und Paulus zu Rom. Daraus entwickelte sich zunächst die Bedeutung der Gemeinde, als dann aber überall die Bischöfe an die Stelle der Gemeinde traten, hat auch der römische Bischof (besonders Victor 190-200) die Bedeutung der Gemeinde auf sich conzentriert, sowohl Pflichten als Rechte.

Bei der Entwicklung der Metropolitanverfassung kam es dann Rom zugute, dass sich diese Entwicklung in Mittel- und Unteritalien nicht ausbildete, daher diese Sprengel Roms wurden. Bei der Entwicklung des Patriarchats kam es dann Rom zu statten, dass die Metropolitanverfassung nicht durchgesetzt war. Daher wurde Rom (auch vom Orient anerkannt) Patriarchat für das Abendland. Keine dortige Gemeinde ausser Rom konnte apostolischen Ursprung aufweisen. Mailand kämpfte für Barnabas, konnte es aber nicht durchsetzen.

Jurisdiktionell flossen daraus noch keine Rechte, es war mehr eine [70] Idee, die aber dann in der Völkerwanderungszeit öfter schon praktisch durchgesetzt wird durch Schutz der von den Germanen bedrängten Romanen, auch selbst Spaniens. Durch die Verlegung der Hauptstadt war der Bischof in Rom der oberste Herr geworden. Der Staat brach zusammen, die Kirche aber wurde von den eingedrungenen Germanen respectiert. In sie flüchtet sich das ganze alte römische Leben. So wird der Papst Erbe des weströmischen Reichs. Valentinian erliess ein Edict (c. 450) worin er seine Völker (die ihm nicht mehr gehorchten) zum Gehorsam gegen den Papst ermahnt.

Augustin ist nun aber doch der Vater der Kirche, weil er 1) die Idee der Kirche als autoritative Mutter-Anstalt, extra quam nulla salus, in energischer Weise durchgeführt hat, den Bau der Gesellschaft durch die Kirche. De civitate Dei enthält vieles prophetische, er selbst machte sich die Consequenzen seiner Sätze gar nicht so klar. Die communio sanctorum und die externa societas sacramentorum sind noch nicht identificiert. Der spirituelle Gedanke von 2 Reichen geht allmählich über in die Gleichsetzung des Teufelreichs mit dem Weltstaat und des Gottesreichs mit der Kirche. Der Weltstaat, aus Herrschsucht entstanden, ist latrocinium magnum, die Kirche beruht auf Liebe, d. h. auf justitia. Aber freilich hat Gott dem Staat die Aufrechterhaltung der pax terrena zuerteilt. Doch um diese Aufgabe zu lösen, braucht er justitia, diese erhält er aus der Kirche, also muss er sich der empirischen Kirche unterordnen. Dabei hat Augustin den versinkenden weströmischen und die Barbarenstaaten vor sich. Diese empiristischen Staaten schienen seine Ansicht vom latrocinium zu bestätigen.

In den antidonatistischen Schriften erbaut er die Kirche auf die Sacramente, [71] diese aber fasst er als Vehikel der Willensstärkung, als Kanäle für Eingiessung der caritas.

2) Augustin verinnerlicht die Religion, holt die Idee des Heilsgutes vom Himmel herunter. Nichts ist gut als eine gute Gesinnung, [von] Liebe erfüllt Sein ist das Gute. So führt Augustin die Religion aus dem Cultusmysterium herab in die Realität des psychologischen Inneschauens. Er wollte Gott nicht zuerst von aussen kennen lernen. Er ist gewissermassen Skeptiker, nur von innen heraus kommt er zu Resultaten. Der Wille des Menschen ist nur gut, wenn er von innen erfüllt wird mit Kräften, die Liebe sind. Daher kommen sie von Liebe, Omne bonum in humilitate perficitur. Die Empfindung des Gedankens der Liebe demütigt. Damit hat Augustin in der Religion erst wieder die Religion erweckt. Das Centrum des Lebens, was den Menschen erhebt, ist Geschenktes Gut.

Mit dem Centralgedanken von der Gnade ist die neuplatonisch-metaphysische Gedanke von der Alleinwirksamkeit Gottes verbunden. Es sind zwei disparate, von Augustin aber zusammengeschaute Gedanken. Der letztere ist die Ursache der Prädestinationslehre, die Augustin nur mit biblischen Argumenten verbrämt. Daneben wird doch nicht der Praedestinierte selig, sondern der in dem die Gnade Glaube Liebe Hoffnung wirkt. Die Gnade ist aber doch nur Vorläuferin, sie wirkt zuletzt die Werke, merita, die, wenn auch munera Dei, doch verschiedene Seligkeit bewirken. So wird die religiöse Betrachtung zuletzt vor dem Abschluss ethisch.

Zu dieser Betrachtung tritt nun von der Kirche hinzu externa societas sacramentorum. Es sind zuletzt 3 Etagen, die aber Augustins reicher Geist vereinigt: Praedestination - numerus electorum; Gnade in Christus - societas fidelium. Die Gnade versinnbildlicht in den Sakramenten - societas externa sacramentorum. [72] Von hier aus versteht sich, wie Augustin nicht bloss Vater der römischen Kirche, sondern auch aller feindlichen Richtungen ist; wie er die Reformation vorbereitet, ja auch die Renaissance mit ihrem Individualismus.

Mit unerhörter Schnelligkeit hat Augustin diese Lehren der Kirche aufgeprägt, freilich nur äusserlich, als ein erst anzueignendes Gut, das man aber auch umgehen konnte.

Was sind die Früchte der Liebe? Die Liebesgesinnung; aber in concreto die Askese. Also auch Augustin hat kein Zutrauen zu der Welt, das positiv gute Handeln in der Welt ist nicht Endziel der Religion, das ist noch das alte katholische Ideal. Daneben scheint oft bei ihm und in der Folgezeit die Nächstenliebe als die höchste, höher als die consilia evangelica. So bestimmt er die Aufgabe des Christentums verschieden: einmal als positiv gegenwärtige Liebe, dann wieder als etwas, das aus der Welt herausliegt. Dies macht ihn vollends zum Vater der römisch-katholischen Kirche und nicht, wie oft behauptet wird, der Reformation.

Von Augustin an beginnt ein Geschichtsprocess in doppelter Hinsicht, die Keime zu entwickeln und die Spannungen zu beseitigen - das hat bis vor 20 Jahren gedauert; da erst ist die Kirche sich ganz über sich selbst klar und einig geworden. Vor der Reformation war sie keineswegs geschlossen. Andererseits stellt die Kirche eine fortgesetzte Geschichte von Reformen am Faden des Mönchtums dar. Die Geschichte des Mönchtums ist die innere Geschichte der abendländischen Kirche, die zuletzt nicht die Verinnerlichung, sondern die Verkirchlichung der Religion herbeiführt. Franziskus noch hatte die Innerlichkeit zum Prinzip gemacht, es sollte ein einheitliches Ideal sein, ein Mönchsverein. Doch die Jesuiten haben die römische Kirche anders geleitet. In dem Bau des Reiches Gottes auf Erden hat der Kirchengedanke {vorzuwiegen}. [73]

Die Reformation ist nun auch aus dieser Kirche erwachsen, von einem Mönche, der ganz in seiner Kirche noch stand. Wäre die Reform durchgedrungen, so würde sie als eine Staffel in der Entwicklung der römischen Kirche erschienen haben [!]. Es wäre immer noch die Entwicklung der abendländischen Kirche. Nun aber hat sich die römische Kirche im Tridentinum verschlossen gegen eine ganze Reihe von Bestimmungen, die bis dahin noch Bürgerrecht hatten. Aber ein Gedanke war noch nicht reif. Das war - trotz aller Gewalt eines Leo, Gregor und Innocenz III. die meist persönlich war - das monarchische Element. Hätte man den Papat in der jetzigen Weise zu Trident fixiert, so hätte ein grosser Bruch erfolgen müssen. Auch augustinische Sätze mussten der dominikanischen Tradition zuliebe beibehalten werden. Getötet ist der Augustinismus erst durch den Probabilismus, die Casusistik des Beichtstuhls. Die merita sind durchgedrungen, nur dass an Stelle der Gnade die empirische Kirche tritt.

Aber auch in ihrer jetzigen Gestalt hat die Kirche noch eine Spannung in sich. Die Religion ist persönliches Verhältnis zu Gott selbst. Dieser Trieb lässt sich nicht durch die Kirche unterdrücken, er klammert sich zuletzt sogar ans Idol, an den Herz-Jesu-Kultus. Auch die Kirche hat noch als Ziel die persönliche Seligkeit, neben dem Bau des Reiches Gottes. Diese Spannung lässt sich nicht nehmen.

Das ideale und segensreiche ist die Einhelligkeit.

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