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Symbolik §6

§6. Der geschichtliche Ursprung der griechischen Kirche

Von einer griechischen Kirche kann man schon längst vor dem definitiven Schisma sprechen; denn dies ist nur das Resultat einer Entwicklung. Im 3. Jahrhundert spricht keiner von einer orientalischen und abendländischen Kirche anders als geographisch. Aber doch sind im 2. und 3. Jahrhundert Bewegung[en] im Occident, die der Orient nicht mitmacht. Der Montanismus ist zwar im Orient entstanden, aber weiter im Novatianismus und Donatismus im Abendland ausgebildet, besonders die anschliessenden Fragen über die Kirche und das Amt, die Beichte und das Busssacramant. Alles das beschäftigt den Orient nicht. Die orientalischen Entwicklungen geschehen unter der Hand.

Im Orient dagegen taucht die christliche Wissenschaft, die göttliche Philosophie auf in Alexandrien, für die im Abendland kein Verständnis ist. Im Abendland bildet sich das practische, im Orient das philosophische speculative Interesse aus. Im Orient ist der Leitstern noch der Gedanke an gnonai to theion, woraus sich von selbst richtiges und sittliches Leben entwickeln soll. Die Occidentalen suchen die umschaffende Kraft des Christentums.

Der arianische Streit brachte die beiden bereits geteilten Hälften nahe zusammen, aber zugleich wurde die Erklärung zu Constantinopel 381 »Der Bischof von Constantinopel sei dem römischen gleichberechtigt«, 451 vom öcumenischen Konzil bestätigt, Anlass zu neuem Streit. Für den Orient war das nicht dogmatisch, der römische Bischof betrachtete sie als Glaubensfrage, weil er sich auf ein Herrenwort berufen zu können meinte. In Byzanz [19] dagegen hielt man es für eine Organisationsfrage. Die bischöfliche Organisation war auch hier als divini juris anerkannt, aber der römische Bischof ging weiter, sofern er seine Sonderstellung auf göttliches Recht stützte. Der 28e Canon des chalcedonensischen Conzils ist der Anlass des Schismas.

Durch die Verschiedenheit der Sprache entfremdeten sich beide immer mehr. Seit dem Anfang des 5. Jahrhunderts hat das Griechentum allenthalben Einschränkungen erfahren. In Rom verstand man kein Griechisch mehr. Die Byzantinischen Herrscher aber machten es Rom doch schwer, sich ganz selbständig zu machen.

Im Bilderstreit trat der römische Bischof auf die Seite der Bilderverehrer und damit auf die Seite der eigentlichen griechischen Kirche. So kamen der Orient und der Occident wieder näher. 692 war ein Ergänzungskonzil {?} zu Constantinopel abgehalten worden, das tief in das Cultische und Verfassungsmässige eingriff und gegen Rom, ohne dass dies mit Erfolg protestierte, z.B. die Priesterehe erlaubt, andere Riten beim Abendmahl.

Sehr bald nach Beendigung des Bilderstreits erhielt Rom Freiheit von Byzanz durch Karl den Grossen (Weihnachten 800) und kam zum Occident. Da brach der Gegensatz neu hervor, zumal als der kräftige Photius Patriarch wurde. Nicht an der Dogmatik ist der Streit akut geworden, diese wurde nur künstlich hineingezogen, sondern es war eine Machtfrage:

Man hatte sich dogmatisch sehr weit von einander entfernt. Augustin hatte die Fragen von der Kirche als dem Reich Gottes auf Erden, von Sünde, Busse, Gnade usw. aufgebracht. Der Orient erging sich in Spitzfindigkeiten über die 2Naturenlehren. Doch die von Conzilien festgesetzten Formeln waren noch die gleichen. Es handelt sich um Illyrien, das noch [20] jetzt der Zankapfel ist. Rom rüstet sich jetzt wieder zum Angriff auf Bosnien und Bulgarien. Photius war irregulär Patriarch geworden, so hatte Rom auch ein persönliches Mittel gegen ihn. Umso heftiger war Photius und sucht nun viele Sünden Roms aufzudecken, besonders die Verschiedenheiten in der Praxis. Doch Photius wusste recht gut, dass damit den Laien noch nicht imponiert wurde. Nun fand er aber, dass im Abendland seit Augustin gelehrt wurde (ohne Betonung), dass der Geist von dem Vater und dem Sohne ausgehe. Eine africanische Synode hatte filioque selbst in das Symbol gesetzt unter Missbilligung des römischen Bischofs Leo. Daraus machte Photius 2 Haeresien. 1) der falsche Glaube, 2) die Fälschung des hochheiligen Symbolum. Diese dogmatische Frage brauchte man zum Decorum, um die andere Kirche der Unchristlichkeit zu zeihen. 867 anathematisiert Photius den römischen Bischof wegen Verschiedenheit in den Fa{c}ten der Firmelung und jener dogmatischen Differenz. 869 gab eine Synode zu Constantinopel dem Papst Recht. 879 wurde die vorige Synode anathematisiert und jeder gebannt, der einen Zusatz mache zum Symbol. Hadrian antwortete mit gleicher Anathematisierung. Die einen zählten das erste die andern das 2. als 8. öcumenisches Conzil. - In Rom verfiel der Papst dann in tiefe Unsittlichkeit. Aber beide Kirchen hatten noch Beziehungen. Erst die clugniazensischen [!] Päpste des 11. Jahrhunderts haben das Schisma rite vollzogen. Man kann sagen, dass Michael Caerularius angefangen hat. Aber nur, nachdem Rom durch Arroganz vorgegangen war und seinen Anspruch erneuert hatte, primus zu sein. Dazu kamen die römischen Pilgerzüge nach dem Orient - Michael hielt sich verpflichtet seine Kirche zu [21] schützen. Er setzte den Anklagen noch einige rituelle hinzu. Leo IX. machte ganz andere Ansprüche geltend. Rom war unbarmherzig; Constantinopel war nahe daran zusammenzubrechen. Die Gesandten schürten das Feuer, legten auf den Altar eine Excommunicationsschrift nieder 1054.

Ausser der Nichtanerkennung des römischen Primats erklärt keiner der angeführten Gründe das Schisma. Im Grunde liegt der Gegensatz tiefer, aber er ist nicht zur Sprache gekommen. Der Punkt der Scheidung bietet nur den Anlass. Eine tiefe Antipathie, eine ganz verschiedene Gesinnungsweise trennt die beiden Kirchen. Der äussere Verlauf ist dargestellt von Pichler, auch von Gass.

Um den Geist der griechischen Kirche zu erkennen, muss man Athanasius, die Cappadocier, Cyrill Alex. und Johannes Damascenus, dazu Chrysostomos ansehen als die classischen Väter. Alle diese arbeiteten an trinitarisch christologischen Problemen. Darin ging ihre Arbeit auf. Damit glaubten sie sich des ganzen Christentums zu bemächtigen. Alle andern Dogmen waren ihnen gleichgiltig, resp. existierten nicht für sie neben dem einen allumfassenden christologischen Dogma. Sie glaubten so im Sinn des Herren, bes. nach dem Johannes Evangelium zu handeln: Wo Erkenntnis Gottes und Jesu Christi ist, da ist Leben und Seligkeit. Das ist christlich, wenn man Erkenntnis richtig fasst. Die griechischen Väter aber verstanden dies in engerem Sinn, sie wollten in das ewige Wesen Gottes und Christi eindringen, um dies zur Welt und Welterkenntnis in Beziehung zu setzen. Das hielten sie für das wahre gnonai ton Christon. Dabei verhehlten sie sich nicht, dass solche Erkenntnis immer nur Annäherung sei, nur im Himmel ganz erreichbar. Trotzdem stellten sie die Formeln mit anathematisierender Gewissheit auf. die volle Erkenntnis gehört dem jenseits an, dem Diesseits bliebt die Forderung, das ganze Leben dieser Contemplation zu weihen. [22] Der Christ muss demnach nicht nur die sündlichen Werke, sondern alle Bethätigung meiden, um sich der Erkenntnisarbeit zu weihen. So musste diese Auffassung zum Mönchstum führen. Hier liegt nun schon der Fehler. Christus will nicht Entziehung aus der Welt; er will, dass die Religion sich in Liebe bethätigen soll, also in sittlichen Verhältnissen, in die der Mensch hineingestellt ist. Es ist eben nicht Erkenntnis Gottes, sofern er sein Reich unter den Menschen aufrichten will. Es ist vielmehr das griechische philosophische Interesse metaphysischer Gotteserkenntnis. Das ist Abweichung von der graden Linie.

Das Christentum ist mathesis tou theiou. Trotz allem hat die griechische Kirche das specifisch christliche in der Definition gewahrt, besonders durch das Verdienst des Athanasius. Das erschienene Göttliche ist das hinter der Welt ruhende. Das ist sein Hauptsatz. Doch trotzdem ist es falsch, dass die griechische Kirche glaubt im Christentum Physik- und Geschichtserklärung zu besitzen. Das bedenkliche ist, dass die mathesis matheou ton ontion sein will, das erhabene, dass sie matheou auf Grund des Glaubnes sein will. Doch die Folge ist eigentlich allgemeines Mönchtum. Auch darin ist ein Wahrheitskern. Wenn es auch das Ideal ist, dass uns die Religion stets begleiten soll, dass unser Leben fortgesetzte Busse und fortgesetztes Glauben sei, so brauchen wir auch Stunden, wo wir uns besonders zurückziehen, besondere religiöse Impulse empfangen.

Es ist löblich, dass die griechische Kirche den Gläubigen veranlasst, immer wieder in sich zu gehen zu frommer Beschauung. Aber damit lässt sich keine Gemeinschaft bilden. Daher tritt in dieser Hinsicht die Kirche hinter die Nation, den Staat Zurück.

Ursprünglich stritt man mit Heftigkeit über die christologischen [23] Dogmen. Doch der Eifer lässt nach. Schon der 2-Willenstreit wird sehr äusserlich geführt, noch mehr der Bilderstreit. Dann hörts auf. Nicht als ob der Stoff erschöpft wäre, man hätte noch vieles erdenken können. Die mathesis ist auf Erden stückweise. Aber das Christentum verlangt schon auf Erden ein Heilsgut, mindestens einen {Vorschmack} der Seligkeit. Das will auch die griechische Kirche. Aber sie schafft sich das durch die Mysterien. Das echt christliche Problem ist wiederum echt hellenisch erfasst und gelöst. Die griechischen Christen wussten sehr wohl, dass die Verstandeserkenntnis nicht ewiges Leben giebt; aber die himmlische Erkenntnis, die uns von Gott geschenkt wird, die über uns kommt und uns erfasst und trägt, kommt uns im Mysterium, in den Weihen. bei Taufe und Abendmahl soll schon nach der Anschauung des 2. Jahrhunderts eine geheimnisvolle Weihestimmung den Empfänger erfüllen. Das Abendmahl giebt Wunderkräfte pharmakon athanasias (Ignatius). Ebenso giebt die Taufe Erkenntnis, die aber nur durch das Gefühl gegenständlich wird.

Mystagogia, geheimnisvolle Application himmlischer Kräfte und Erleuchtung. Schon bei den Apologeten ist die mathesis die Hauptsache. Daneben bleibt noch eine Erinnerung an die Wiedergeburt aus Glauben. Im 3. und noch viel mehr im 4. Jahrhundert brachten es die Verhältnisse mit sich, dass man mehr auf die Mystagogie sah. Besonders Dionysius Areopagita (Saec. IV exemte) schildert das Christentum als eine mechanische Verbindung von Kräften durch Engel und Priester, in deren Mechanismus die Seele eintritt. Ritual und Erkenntnis müssen nach ihm aber ganz Hand in Hand gehen.

Jenes Ritual aber verlangt eine stabile Erkenntnis. Einmal festgestellt, ist es so empfindlich, dass nicht daran gerührt werden darf. [24] Es ist nicht zufällig, dass auf den letzten mathesis}streit der Bilderstreit eintritt. Das ist ein mystagogischer Streit.

Photius definiert: ho christianismos estin mathesis kai mystagogia. Die griechische Kirche stellt das ganze Christentum im Dogma dar. Das Dogma ist nur noch lebendig im Cultus.

Unser Glaube geht nicht in der Perspektive auf die Vollendung im Jenseits auf. So wenig uns etwas von Gott scheiden kann, so wenig der Tod. Die irdische Sittlichkeit wird dem natürlichen Verständnis überlassen ohne dass sie mit dem heile in Beziehung gesetzt wird. es ist verständlich, wie dabei die Application in der Form der Weihe geschieht.

Im Bilderstreit dreht es sich nicht um Verehrung der Bilder an sich, sondern die Bilder galten als Vereinigung des Ewigen mit dem Sinnenfälligen und dagegen stürmten die Bilderstürmer an. So ist der Bilderstreit ein Zeichen des Beginns einer neuen Epoche. Man achtet die Grundlage der alten Theologie hoch, aber sie ist ausser der Frage.

Die Probe auf diese Aussagen ergiebt eine Prüfung der Sektenbildungen seit jenem Bilderstreit giebt es keine Lehrsekten in der Griechischen Kirche, wie sie sowohl die römische als die evangelische Kirche hat. Die griechischen Sekten sind entweder solche, die die Grundlage der mathesis in Frage stellten (durch marcionitisch manichäische Gedanken) oder Ritualsekten.

In Russland beobachtet man oft, dass eine Ritualsekte nach wenig Jahren in den Dualismus verfällt, also das ganze Christentum in Frage stellt.

1664-66 liess der Patriarch von Moskau die Agende revidieren und die altslawische Liturgie nach griechischen Handschriften verbessern. Da erhob sich ein [25] Sturm, der sich trotz alles Einschreitens nicht niederschlagen lässt. Noch jetzt zählen die Altritualen mehr als 1 Million. Sie fordern die Benutzung der vornikonischen Bücher {?} ganz untergeordneten Punkte, z.B. die Verehrung nur 8armiger Kreutze. Den Namen Jesus=Isus auszusprechen; nur alte Bilder oder gute Copien derselben zu verehren. - Bei vielen haben sich nun aber dualistische Neigungen ergeben. Zunächst erkannte man die Priester nicht an, die einen liessen es dabei bewenden, andere stellten eigne K[irche] an und endlich die 3. verneinen die Berechtigung der Priester überhaupt. Damit verneinen sie aber auch schon die katholische Kirchenentwicklung des 2. Jahrhunderts und fallen leicht in Dualismus. Manche gehen soweit, Selbstentmannung von ihren Gliedern zu verlangen. Das führt auf manichäische Vorstellungen zurück. Bei verschiedenen Sekten ist grober Manichäismus und Dualismus ersichtlich. Sehr interessant ist Tolstoi, der erst ein Weltkind, dann zur Kirche trat, freiwillig (ohne Kloster) Mönch wurde und jetzt in der neusten Schrift gegen die ehe polemisiert. Tolstoi ist aber der geistig einflussreichste Mann Russlands.

Aus diesem Gang ergiebt sich aber auch deutlich, warum die Kirche nach dem Hochflug der Spekulation mit gebrochenen Flügeln endete. Sie verstand nicht ein christlich kirchliches Leben der Laien hervorzurufen. Selbständig ist sie nur im Mönchstum, sonst ist sie gekettet und gefesselt in die Welt.

Die griechische Kirche muss eine Persönlichkeit erleben, die eine Wiedergeburt aus dem lauben heraus predigt, ähnlich wie Augustin und Luther. Das kann keine Wissenschaft, sondern nur eine lebendige Person.

Anhang: Bald nach dem Bruch mit Rom begannen Unionsversuche. Man empfand die Trennung noch als etwas schmerzliches. [26] Im 13. Jahrhundert wurde die byzantinische Herrschaft so schwach, dass man Hülfe vom Abendland suchte. Das benutzte Rom. Mit dem lateinischen Kaisertum entstand auch eine lateinische Hierarchie, die aber die ganze griechische Kirche gegen sich aufbrachte. In Lyon suchte man auch wissenschaftlich die Griechen herüberzuziehen. 1261 hörte das lateinische Kaisertum auf. Eine kleine byzantinische herrschaft kam zu Stande. Das 14. Jahrhundert that nichts. Als aber die Türken immer näher herbeirückten, versuchte Johannes VII. Paläologus zu uniieren. 1438 erschien er zu Florenz mit seinen Patriarchen und Bessarion von Nicäa; erst in Ferrara, dann in Florenz wurde erhandelt, endlich die Union vollzogen, die dogmatischen Differenzen wurden durch Unionsformeln ausgeglichen. Man erkannte den Primat an. In Wahrheit hatte Rom gesiegt. Als der Kaiser zurückkam, erhob sich gegen ihn der Aufruhr. Metrophanes wurde als Kirchenschänder bezeichnet, die Union von dem Conzil beseitigt. Bessarion blieb in Rom, wurde Cardinal und Träger der Renaissance, dem wir viele Handschriften verdanken.

Seitdem ist bis ins 17. Jahrhundert nichts geschehen. Man wurde auf die Griechen aufmerksam durch Luther, der sich Eck gegenüber auf sie berief gegen den Papst, zu Leipzig 1519; im selben Jahr schrieb er im gleichen Sinn an Spalatin. Bald orientierte er sich auch darüber, dass sie den Coelibat verwarfen, das war ihm lieb. Er konnte nicht kirchengeschichtlich studieren, konnte sie auch nicht persönlich kennen lernen. Melanchthon kam mit Jakobus Basilikus, der den Fürsten Heraclides von Samos, der vertrieben war, begleitete, zusammen. als der Fürst zurückgekehrt war, suchte er verschiedene deutsche Bestrebungen durchzusetzen, aber nur mit vorübergehendem Erfolg. Auch durch evangelische Gesandtschaftspre-[27]diger in Constantinopel kamen Beziehungen zustande. Die Tübinger Theologen unter Crusius' Führung sandten die von Demetrius Moesus ins griechische übersetzte Augustana an den Patriarchen. Es kam zu einem Briefwechsel, in dem dieser die Notwendigkeit einer Erweiterung zugesteht, aber in anderem Sinne als die Tübinger. Als diese energischer vorgingen, brach der Patriarch ab, zumal als die Jesuiten aufmerksam geworden, die griechische Kirche vor dem Protestantismus warnten. Im folgenden 17. Jahrhundert, als die Jesuiten in Polen die dortigen Griechen zur römischen Kirche zu führen begannen und mit Erfolg unierten (um diese unierten ist noch heisser Streit zwischen dem Czar und der römischen Kirche, wobei die griechische Kirche mit allen Machtmitteln vorgeht), kam es wieder zu einer Annäherung als Cyrillus Lukasis (1572 geb. in Kreta) ins Abendland kam und in Genf den Calvinismus kennen lernte. Ins Morgenland zurückgekehrt, wurde er Patriarch von Alexandrien 1602. Im Jahre 1621 wurde er Patriarch von Constantinopel. Da begann er eine höchst merkwürdige Thätigkeit, um derentwillen man über seinen Charakter sehr streitet. Die römische Kirche stellt ihn sehr abschreckend dar, aber nichts anderes wollte er als vorsichtig calvinisch reformatorische Ideen in die griechische Kirche einzuführen. Dabei ging er aus Vorsicht etwas falsch vor. Er liess einen Katechismus in 18 Hauptstücken und 4 Interrogationen erscheinen, ganz nach dem Schema des calvin. Katechismus, indem eine Menge Fragen behandelt sind, die sonst nie in der griechischen Kirche verhandelt waren: über rechtfertigenden Glauben, über Prädestination, über Willensfreiheit. Die Interrogationen handeln von der heiligen Schrift und der Bilderverehrung.Die Apokryphen werden ausgeschlossen, die Bilderverehrung verboten. Der Patriarch hatte sich verrechnet und die origin. Kraft der Kirche unterschätzt. Das Erscheinen dieses officiellen katechismus erregte in der ganzen Kirche und besonders bei den Römern grossen Sturm. Er muss von seinem erhabenen Standpunkt aus seine Stellung zur Kirche ganz [28] verkannt haben. Erst wurde die Echtheit angezweifelt, dann die Schrift von 5 Synoden anthematisiert und gegen sie eine Reihe Symbole aufgestellt. Diese Symbole sind aber nicht zu überschätzen (Gass), sie sind nicht norma normans, sondern als solche gelten die alten Konzilien. In allen Controverspunkten stellte sich die griechische Kirche auf römische Seite gegen den Protestantismus.

Cyrill verlor das Vertrauen des Sultans und wurde schliesslich hingerichtet (1638). Weitere Berührungen sind nicht von Bedeutung. Es ist sehr bedauernswert, dass dieser ungeschickte Versuch, die Annäherung an Rom beförderte. Heute freilich hat die griechische Kirche erfahren und weiss, dass sie von Rom zu fürchten hat und vom Protestantismus lernen kann.

1870 als sich der Altkatholicismus abzweigte, berief Döllinger zu den Unionskonzilien auch Griechen nach Bonn. Es wurde auch wieder über die Frage des Ausgangs des heiligen Geistes verhandelt. Man kam aber nicht über Versicherungen der Freundschaft hinaus. Mit dogmatischen Unionsformeln, die sich leicht aufstellen lassen, ist nichts gethan. Es bedarf einer Reformation durch Persönlichkeiten wie Augustin und Luther.


Literatur

Alois Pichler (1833-1874), Geschichte der kirchlichen Trennung zwischen dem Orient und dem Occident von den ersten Anfängen bis zur jüngsten Gegenwart. 2 Bde. München 1864-1865

Wilhelm Gass (1813-1889), Symbolik der griechischen Kirche. Berlin 1872

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