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Symbolik §4

§4. Abriss der Geschichte der Disciplin

Von der Mitte des vorigen Jahrhunderts sind nur Vorarbeiten vorhanden in der Theologia symbolica, d.h. der Wissenschaft, welche historisch kritisch einleitet in die Symbole (Ende des 16. Anfang des 17. Jahrhunderts in Deutschland und besonders in England, wo ein Interesse war zu zeigen, [7] dass die Hochkirche die wahre katholische Kirche sei und nicht die römische Kirche: Ussher und Pearson arbeiten über das apostolische Symbolum – in Deutschland Carpzov, Isagoge in libros ecclesiarum lutheranum symbolicos, besonders zur Concordienformel mit Akribie und umfassender Gelehrsamkeit; in Holland Vossius introductio in libros symbolicos 1733 in geschickter Weise zusammenfassend – daneben theologia polemica: Chemnitz, examen concilii tridentini 1565. Ausführliche, noch unerreichte Wiederlegung des Tridentinischen Conzils, mit grosser Gerechtigkeit, umfassendem Material. Dagegen Robert Bellarmin, Disputationes de controversiis christianae fidei adversus huius temporis haereticos (Rom 1584), noch jetzt von römischer Seite viel gebraucht und unübertroffen. Alles andere fusst darauf. Wegen der Eleganz des Stiles machte Eindruck Bossuet's Exposition de la doctrine catholique gegen die reformierte Kirche Frankreichs, feine aber oft oberflächliche Polemik.

Auch zwischen den Lutheranern und Calvinisten gab es sehr viele Polemiken. Von ersterer Seite galten diese für viel schlimmer als die Catholiken, ziemlich gleichwertig mit den Mohammedanern.

Im 17. Jahrhundert bemächtigt sich auf einmal ein anderer Geist der Menschheit, vorbereitet durch Deismus, Pietismus usw. – Der Geist der Aufklärung. An sich nicht antireligiös, was nur einzelne Auswüchse waren, aber antihistorisch. Man wollte nichts mehr mit der Last der Geschichte zu thun haben. Dabei schlug man nach der andern Seite aus. Man gab die Confession der Gleichgültigkeit preis. Dasselbe hatte schon der Pietismus in etwas [!] gethan. Dadurch gewann die Disciplin an freier Behandlungsweise, man sah ein, dass sich die Confession selbst historisch entwickeln kann. Die Polemik [8] hörte auf; man sah sich die eigne Confession an und untersuchte deren Entwicklung. Nach Arbeiten geringerer Bedeutung von Baumgarten beginnt die Disciplin mit Plank, nachdem der jüngere Walch bedeutendes geleistet hatte. Auch Plank ging nicht über die Lehrbegriffe hinaus. Plank 1) Abriss einer historischen vergleichenden Darstellung der Systeme unserer christlichen Hauptpartheien 1796, 2) Geschichte der Entstehung der Veränderung und der Bildung unsers protestantischen Lehrbegriffs 6 Bd. 1781ff. Hier ist zum erstenmal das Vorurteil gebrochen, dass das Luthertum des 17. Jahrhunderts das gleiche sei wie das der Reformationszeit. Plank weist nach, dass sich der Gesichtskreis sehr verengt hat.

Marheineke, Christliche Symbolik 1810ff, nicht über die Darstellung des Katholizismus hinaus. Aus Hegels Schule, er hat von Plank gelernt, aber noch mehr von Hegel, besonders Respekt vor der Geschichte. Schleiermacher von der andern Seite für die lebendige Sprache des Gemütes und die religiösen Interessen auch unter starren Hüllen. Man sollte die Errungenschaften der Aufklärung nicht aufgeben, aber doch die Symbole als Eigenes Gut ehren. Das erste Werk in diesem Sinne ist das von Möhler, der begeistert und doch geschichtlich gehalten, sich seine verehrte Kirche ideal vorstellend. Symbolik 1832, 7. Auflage 186[.]. Schwanengesang des alten Katholizismus, den dann der Ultramontanismus ablöst. Auf Möhler hatte Schleiermacher grossen Einfluss gehabt. Er versteht es dabei sich die sprödesten Lehren seiner Kirche zurecht zu legen, z.B. bei der Tradition. Durch dies Werk wurde der Katholizismus erst wieder kulturfähig. Die Gegenschriften von Baur, Nitzsch aber genügten nicht, obwohl sie im einzelnen Recht hatten.

Seitdem entstanden viele Symboliken, aber alle auf die Darstellung der [9] Lehrbegriffe gerichtet. Die beste ist Öhler, Lehrbuch der Symbolik 1876 op. posth.; Guerike, Symbolik (Confessionell lutherisch); Scheele (Schwede), Symbolik; Hase, Polemik gegen die römisch katholische Kirche, 4. Auflage 1878. Er kannte Rom und die Spitzen der römischen Kirche, verläugnet nie den protestantischen Standpunkt, aesthetisch aber spricht er oft für Rom, dabei ist er ganz von der Gerechtigkeit erfüllt. Für die griechische Kirche Russlands ist bedeutend LeRoy Beaulieu 3 Bd. Die Kirche und das religiöse Leben in Russland, lebensvolle Darstellung eines die Kirche persönlich kennenden Verfassers. Perrone, praelectiones theologicae 6 Bd.


Literatur

James Ussher (1581-1656), De Romanae ecclesiae symbolo apostolico vetere aliisque fidei formulis diatribe. London 1647

John Pearson (1612-1686), Exposition of the Creed. London 1659

Martin Chemnitz, Examen concilii Tridentini. 1565-1573

Robert Bellarmin, Disputationes de controversiis christianae fidei adversus huius temporis haereticos. Rom 1586-1592

Gerhard Johann Vossius (1577-1649), Dissertationes tres de tribus symbolis, apostolico, Athansiano et Constantinopolitano. Amsterdam 1642

Johann Benedikt Carpzov (1607-1657), Isagoge in libros ecclesiarum lutheranum symbolicos. Leipzig 1665

Jacques-Benigne Bossuet (1627-1704), Exposition de la doctrine catholique

Johann Georg Walch (1693-1775), Introductio in libros ecclesiae lutheranae symbolicos. Jena 1732

Gottlieb Jakob Planck (1751-1833), Abriss einer historischen und vergleichenden Darstellung der dogmatischen Systeme unserer verschiedenen christlichen Hauptpartheien nach ihren Grundbegriffen, ihren daruas abgeleiteten Unterscheidungslehren und ihren praktischen Folgen. 1796 (3. Auflage 1822)

Gottlieb Jakob Planck, Geschichte der Entstehung, der Veränderungen und der Bildung unsers protestantischen Lehrbegriffes von Anfang der Reformation bis zur Einführung der Konkordienformel. 6 Bde. 1781-1800

Philipp Konrad Marheineke (1780-1846), Christliche Symbolik oder historisch-kritische und dogmatisch-comparative Darstellung des katholischen, lutherischen, reformirten und socinianischen Lehrbegriffs. 3 Bde. 1810-1813

Johann Adam Möhler (1796-1838), Symbolik oder Darstellung der dogmatischen Gegensätze der Katholiken und Protestanten nach ihren öffentlichen Bekenntnisschriften. 1832 (6. Aufl. 1873)

Ferdinand Christian Baur (1792-1860), Der Gegensatz des Katholizismus und Protestantismus. 1833

Karl Immanuel Nitzsch (1787-1868), Eine protestantische Beantwortung der Symbolik Möhlers. 1835

Johannes Perrone (1794-1876), Praelectiones theologicae. 9 Bde. 1835-1842 (2. Aufl. 1840-1844)

Heinrich Ernst Ferdinand Guericke (1803-1878), Allgemeine christliche Symbolik. Eine vergleichende quellengemässe Darstellung der verschiedenen christlichen Confessionen von lutherisch-kirchlichem Standpunkte. Leipzig 1839 (3. Aufl. 1861)

Karl August von Hase (1800-1890), Handbuch der protestantischen Polemik gegen die römisch-katholische Kirche. 1862 (4. Aufl. 1878)

Gustav Friedrich Oehler (1812-1872), Lehrbuch der Symbolik, hg. von Johannes Delitzsch. Tübingen 1876

Knut Henning Gezelius Schéele (1838-?), Teologisk Symbolik. 1877-1879 (Theologische Symbolik. 3 Bde. Gotha 1881)

Anatole Leroy-Beaulieu, Das Reich der Zaren und die Russen. 3 Bde. 1889

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