Geistwasser (Joh 3,13-17)
Predigt von Regionalbischöfin Bettina Schlauraff zum Universitätsgottesdienst am 14. April 2024
Ändert euer Leben! Kehrt um!
Bereitet Gott doch endlich den Weg!
Halleluja nochmal!
Herr, mach uns stark!
Denn tief liegt des Todes Schatten auf der Welt.
Ihr Schlangenbrut!
Zeigt in eurem Leben endlich,
klar und deutlich,
dass ihr auch nur etwas verstanden habt!
Ansatzweise!
Vom Geist der Barmherzigkeit und
vom Frieden
und dem Du-zu-einem-Du-hin geschaffen sein.
Halleluja nochmal.
Die Axt ist schon angelegt.
So. Das ist es, was ich eigentlich sagen will, die Hand schon im Taufwasser.
Die Tauffamilie vor mir. Süßliche Lieder gesungen habend. Flieder und Blüten um meinen Talarärmel. Bunte glitzernde Taufkerzen hinter mir auf dem Altar. Wir alle lächeln zum Kerzenschein und morgen werden wir weitermachen mit unserem Leben. Achja, die Taufe war wirklich ansprechend.
In meinem Herzen Zorn und Wut. Umkehrsehnsucht für uns alle - Umkehr zu den Menschen, die wir sein sollten. Aufgeschlossene, gelassene Menschen, großherzig, ehrlich, wahrhaftig. Nicht nachtragend. Zärtlich entschlossen das Leben umzukrempeln, wirklich, wirklich, zu ändern.
Menschen mit reinem Herzen und ohne Arg.
Menschen unfähig zu Gewalt und Bedrückung.
Herr, mach uns stark!
Denn tief liegt des Todes Schatten auf der Welt.
Frust und Verzweiflung liegen in meinem Herzen über unaufhaltbaren Despoten, Himmel voller Drohnen und sich in meine Seele fressende Kriegslogik, über immerzu Alternativlosigkeiten, Egoismus, Ängsteschürer und die einen, die sich selbst Alternative nennen und keine sind.
Über meine und anderer Gleichgültigkeit gegenüber ungerechtem Handeln und Nichthandeln, auch an Menschen mitten unter uns. "Tut Buße" könnte ich wirklich endlich mal in den weiten Kirchenraum brüllen. Meines eigenen Ungenügens wegen und dem der anderen.
Ich wäre ein wilder Johannes oder eine Johanna mit struppigen Worten die in den Raum fliegen wie Heuschrecken und starken Sätzen, lebenssüß wie Honig.
Unerbittlich, nicht nachlassend. Auch unerbittlich mir selbst gegenüber. Und ungeduldig. Noch trage ich der Erde Kleid.
Was könnten meine Hände schon geben
Jesus, im Vergleich zu deinen.
Tröpfchen von Wasser
nicht Ströme des Lebens.
Das Lebenswasser brauche ich von Dir.
Etwas, das mich zurüstet und zurechtbringt.
Voranbringt. Und rettet.
Jesus aber
durchkreuzt
mal wieder
Er mogelt sich
ständig
unerwartet
in meine Nähe
und unter meinen Händen spüre ich
seine Schutzlosigkeit.
Er unter meinen Händen!
Immerzu mogelt er sich da hinein.
Als kleines Kind das weg läuft und Erwachsener,
der auch mal seine Ruhe haben will, als Mitfühlender und Sterbender…
Mensch.
So können wir Gerechte werden, sagt er. Nur so.
Wenn Du die Hände auf Mich legst.
Meine Hände spüren den Menschen, er hat warmes Haar und erwartungsvolle Augen. Vielleicht heißt er Julius. Drei Jahre alt. Jedes meiner Worte verfolgt er. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiliges Geistes. Seine Augen schließen sich, als ich mit dem Finger das Kreuz auf seine Stirn zeichne.
Sollte ich? Durch meine Hände? Sie liegen warm und gewiss auf dem kleinen Kopf. So fühlt sich Segen an. Für mich und für Julius.
So viel Vertrauen wie in diesen Augen.
Da ist es.
Als ob ein Himmel sich auftäte für dieses geliebte Kind. Ein kleiner Tropfen rinnt ihm durch das Haar, sichtbar.
Unsichtbar aber hat der Himmel sich aufgetan für sein kleines Herz und sein Leben. Wie Tropfen von Wasser hängt Gottes Geist in seiner Seele, hängt zwischen uns beiden, mir und ihm, in dem kleinen Blick.
Ich spüre kurz eine Ahnung von dem Wasser, das nie wieder durstig sein lässt dem Geistwasser Gottes.
In die Kirche hineinbrüllen aber wäre wie ein Predigt ohne die Auferstehung zu kennen wie Johannes, der nichts weiter hatte als seine vorösterliche Ungeduld und seinen Zorn und das Vertrauen, was sein könnte.
Was erst könnten wir sagen und rufen aus der Wüste der suchenden Welt!??
Als Wissende, als vom Auferstandenen Berührte und Getragene!?
Was erst könnten wir sagen von dem Gott der menschlich schutzlos wurde um sich in die Hände zu geben. Meine vielleicht. Dass ich Gerechte werden kann mit ihm. Anders geht es nicht sagt er. Und entzieht sich auch immer wieder meinen Händen.
Johannes bekommt es beigebracht von dem sich in seine Hände gebenden, in sein Kleines kommenden, in seine segnenden Hände passenden...
Gott.
Auf dass sein Licht vor allen Menschen brennt.
In einem Kamel-fell-farbigen Trenchcoat steht er plötzlich wie aus dem Boden geschossen vor mir. Einen ganzen Kopf größer als ich. Die langen Haare im Nacken zusammen genommen. Seine Hände sind tief in den Jackentaschen vergraben. Mit einem großen Schritt tritt er sehr gezielt auf mich zu.
Etwas ungelenk zerrt er seine rechte Hand aus der Tasche und streckt sie mir mit viel Energie entgegen. Ich nehme sie überrascht. Schaue suchend in die hellen Augen des jungen Mannes. Schaue fragend. „Guten Tag! Sie haben mich getauft.“ „Oh.“, sage ich. Meine Augen suchen sein Gesicht nach bekannten Merkmalen ab. Nach 20 Jahren im Pfarramt wäre die zusammengestellte Menge der Menschen, die ich getauft habe schon ein größeres Häufchen. Die meisten von ihnen habe ich aus den Augen verloren. Sie könnten vor mir an der Kasse stehen oder neben mir im Konzert sitzen und ich würde es nichtmal merken, denn die meisten waren Kleinkinder. Ich weiß nicht, was aus ihnen allen geworden ist.
Alles Mögliche hätte der junge Mann ja sagen können.
„Schön Sie zu sehen.“
„Ich heiße Julius.“
Es war als würde er diesen Gedanken an seine Taufe wie ein Surfbrett auf einer Welle vor sich her schieben und als wäre es ungemein wichtig für seine Existenz, gerade jetzt. Eigentlich traumhaft viele Jahre nach einer Taufe. Er lächelt mich erwartungsvoll an, lacht etwas unsicher.
Und da ist es. Das Lachen. Ich erinnere mich. Ich freue mich ehrlich. Dass er bald Abitur macht, sagt er noch und dass er vielleicht Theologie studieren wird. Ich bin gerührt. Aus dem Getauften könnte ein Täufer werden. Ein Rufer in der Wüste.
Und du?
Wie köstlich ist deine Güte, Gott,
dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben!
Sie werden satt von den reichen Gütern deines Hauses,
und du tränkst sie mit Wonne wie mit einem Strom.
Denn bei dir ist die Quelle des Lebens,
und in deinem Lichte sehen wir das Licht. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft,
der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß
und stärke unsre Liebe. Amen.